
Bin ich ein Illustrator oder eine Illustratorin?
Ein Meinungs-Essay von Pauline Niederer
Disclaimer: Dieser Essay verwendet verschiedene Arten des Genderns oder Nicht-Genderns. In jeder Form sollen alle Geschlechter angesprochen werden. Auf diesem Weg soll lediglich das Thema untermalt werden.
Gendern mit Sternchen, mit Doppelpunkt oder mit Y. Es gibt viele verschiedene Arten, alle Geschlechter in der Sprache mit einzubeziehen. Das Argument für eine gendergerechte Sprache ist, dass wir echte Gleichberechtigung nur erreichen können, wenn auch unsere Sprache alle Menschen abbildet. Nicht nur Männer.
Gendern soll also der Gleichberechtigung der Geschlechter helfen.
Beispielsweise bewerben sich laut einer Studie von Sandra L. Bem mehr Frauen auf eine Stellenbeschreibung, wenn diese NICHT im generischen Maskulinum geschrieben ist.
Kritiker:innen der gendergerechten Sprache bemängeln, dass durch das Gendern das Augenmerk auf das Geschlecht gelegt wird.
Ein kleines Gedankenexperiment dazu:
“Pauline Niederer ist die beste Illustratorin des Saarlandes.”
Frage:
Ist Pauline Niederer unter den weiblichen Illustratoren die beste oder unter allen?
Also streichen wir doch einfach alle weiblichen Endungen aus unserer Sprache und haben eine genderneutrale Sprache, wie sie auch im Englischen “funktioniert”?
Kriker:innen des Gendersternchens und Co. nehmen oft die englische Sprache als Beispiel, wo eine einzige generische Form funktioniert und alle mit einschließt.
Dazu ein Beispielrätsel, das leider immer noch funktioniert:
THREE DOCTORS SAID THAT ROBERT WAS THEIR BROTHER. ROBERT SAID HE HAD NO BROTHERS.
WHO IS LYING?
Dieses Rätsel ist auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder Buzzfeed zu finden. Die Tatsache, dass der Vers als Rätsel verstanden wird, zeigt, dass das Mitmeinen von anderen Geschlechtern im generischen Maskulinum NICHT funktioniert.
Also: Weitergendern mit Movierung IN und Binnen*sternchen?
In längeren Texten mit einem Sternchen zu gendern führt unweigerlich zu Leseproblemen. Dies mag für die meisten Menschen nach einer gewissen Eingewöhnungszeit kein Problem mehr sein, jedoch leiden 12% der deutschen Bevölkerung unter geringer Literalität. Diesen Menschen fällt es schwer, einfache Texte zu lesen und zu verstehen, für sie erschwert ein Gendersternchen das Lesen noch.
Die Lösung könnte also das generische Femininum sein. Also doch IllustratorIN?
Diese Art der gendergerechten Sprache vertritt vor allem die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch.
Die Movierung mit dem Sexus IN für Berufsbezeichnungen ist aber an sich nicht feministisch, da sie auch aus dem Patriarchart stammt. Historisch gesehen wurden mit der Endung IN Frauen bezeichnet, deren Männer einen bestimmten Beruf ausüben. Die Bäckerin führte nicht den Beruf des Bäckers aus, sondern war die Ehefrau des Bäckers.
Die Endung IN kann man also auch als Symbol für die Abhängigkeit der Frau vom Mann sehen.
Die Gender-Debatte ist hochkomplex und vielschichtig und genau deswegen maße ich mir nicht an, hier ein Fazit zu schreiben.
Ich bin Illustratorin und Illustrator.
Ich werde weiter kreuz und quer gendern, um damit zu provozieren und andere Menschen zum Nachdenken anzuregen.
Mein Ziel und meine Hoffnung ist es, dass wir durch Ausprobieren und Meinungsaustausch eine gute und gerechte Sprache erschaffen.
Diskurs und Kritik sind wichtig, deswegen schreibt gern eure Ansicht unter diesen Beitrag.
Ein Beitrag von Pauline Niederer